Wiederholungen für Anfänger – entgegen der üblichen Lehrmeinung

“So wenige Wiederholungen für einen ANFÄNGER? DAS GEHT DOCH NICHT!"

Das haben wir oft genug gehört und gelesen in nahezu jedem Ausbildungsleitfaden. Und in nahezu jeder Empfehlung für Anfänger findet man den Rat, Anfänger im Krafttraining sollten etwa drei Sätze á 12-15 oder 15-20 Wiederholungen machen. Wenn wir davon abweichen und Sätze mit gerade mal fünf Wiederholungen empfehlen, ist die Verwirrung groß.
Wir werden dann schnell auch mal als Nichtskönner und fahrlässig bezeichnet.

Das Problem:

Meistens wird das System dahinter gar nicht verstanden. Das System, das wir für Langhantelübungen benutzen ist völlig simpel.

Wir beginnen mit einer leeren Stange, absolvieren fünf Wiederholungen und legen nun Gewicht drauf. Weitere fünf Wiederholungen werden durchgeführt und das Prozedere wiederholt, bis die Stange langsamer wird. Das ist das Einstiegsgewicht. Dann werden nach dem Aufwärmen drei bis fünf Sätze in jeder Trainingseinheit mit diesem Gewicht durchgeführt. Es wird jedes Workout ein kleines bisschen mehr auf die Stange gelegt. Meist 2,5 kg oder weniger. Bis das nicht mehr geht und wir wieder etwas runternehmen. Nach einem zweiten Anlauf ändern wir den Plan. Das dauert ca. 10-18 Wochen.

Das erste Missverständnis ist, mit welchen Übungen wir arbeiten.

Komplexe Langhantelübungen und Übungen an Maschinen, welche einen Muskel isolieren, sind motorisch unterschiedlich. Bei einer Isolationsübung wird eine direkte Last auf den Zielmuskel gebracht. Sehr niedrige Wiederholungen sind bei diesen Übungen weder zielführend noch nötig, da es hier um das “Auspowern” der Muskeln geht. Wir wollen hier von einem Zielmuskel möglichst alle Muskelfasern ansteuern und ermüden.

Bei einer Mehrgelenksübung wollen wir zuerst eine möglichst gute Ausführung, die unserem Bild dieser Übung entspricht. Kein Trainer sollte Sätze von 15 Wiederholungen in der Kniebeuge mit einer Langhantel und die daraus resultierende Technik befürworten. Es ist hier sinnvoller, mehr Sätze mit dem gleichen Gewicht zu machen, als Anfänger immer ans Limit gehen zu lassen. Das kommt schon bald genug. Die Art der Übung bestimmt, welche Art von Intensität und Wiederholungsanzahl pro Satz sinnvoll ist.

Bei Isolationsübungen sind das nahezu immer etwas mehr Wiederholungen. Bei komplexen Übungen, wie der Kniebeuge, jedoch nicht.

Damit kommen wir zum zweiten Missverständnis

...dass niedrige Wiederholungen den Anfänger überfordern. Da spiegelt sich eine Denkweise wider, in der die Anzahl an Wiederholung auch immer mit dem Gewicht gemacht wird, das maximal bewegt werden kann. Selbstverständlich bewegt der Anfänger nicht das absolut maximale Gewicht. Das Gewicht wird zwar über die Trainingszeit schwerer, aber unser Kunde wird auch stärker und gewöhnt sich langsam an die aufsteigenden Lasten. Ein wirklich maximales Gewicht wird erst am Ende der ersten Phase bewegt. Und dann wird das Gewicht wieder gesenkt, um eine weitere Entwicklung zu erlauben. Anschließend stellen wir das Programm um und arbeiten meist wieder mit Gewichten, die eben nicht maximal sind. Das ist der Unterschied zwischen Simulieren und Stimulieren. Wir stimulieren Reize und werden stärker, anstatt maximale Kraftanstrengung zu simulieren.

Das dritte, entscheidende Missverständnis

...ist, dass man das Gewicht nicht so “schnell” steigern sollte und erstmal eine lange Zeit nur eine leere Stange oder ein minimales Gewicht benutzen sollte.

Das wird dann oft eine “Lernphase” oder “Technikphase” genannt. Das ist allerdings totaler Humbug. Das Gewicht auf der Stange stellt nicht nur einen Reiz und Widerstand dar, sondern auch Feedback für unser Nervensystem. Ein anstrengendes Gewicht zu bewegen, wirkt sich auf die Rekrutierung der Muskulatur völlig anders aus, als ein leichtes Gewicht. Mit einem leichten Gewicht kannst du NICHT lernen, wie die Technik eines schwereren Gewichts auszusehen hat.

Wir können heutzutage sogar nachweisen, dass es sich dabei um völlig andere Muster im Hirn handelt. Ein und dieselbe Übung mit leichtem oder mit schwerem Gewicht sind völlig verschieden! Teilbewegungen sind manchmal nützlich, um einen besonderen Teil einer komplexen Übung zu lernen, aber ein leichtes Gewicht kann dir NICHT beibringen, wie du schweres Gewicht bewegst. Auch kann eine langsame Bewegung kann dir nur sehr bedingt beibringen, wie du dich explosiv bewegst. Denn sonst würde eine schwere Kniebeuge dir auch beibringen können, wie du richtig springst. Aber das tut sie ebenso wenig, wie du aus einem Sprung eine schwere Kniebeuge lernen kannst. Beide Übungen können einen gewissen Transfer in der Leistung haben, aber du musst beide Übungen unabhängig voneinander erlernen!

Doch es geht noch weiter...

Beim Kreuzheben ist es sogar noch problematischer. Denn du musst lernen, die Stange vom Boden zu ziehen, während du dich ohne eine Vorbewegung in eine optimale Zugposition bringst. Trainierst du am Anfang zu leicht, zeigen sich nahezu immer Technikfehler, die eine schwere Langhantel dir einfach nicht erlauben wird. Kreuzheben als Anfänger mit vielen Wiederholungen pro Satz sauber auszuführen, mit einem Gewicht, das sinnvoll ist, ist einfach NICHT möglich!

Diese drei Missverständnisse sind es, die andere Trainer oft nicht verstehen und falsch darstellen, wenn sie von einem Anfängerplan mit Langhanteln reden. Und jetzt weißt du auch, woran du mitunter einen guten Trainer erkennen kannst: Ein guter Trainer schreibt einem Anfänger sicher keine 12-15 Wiederholungen mit der Kniebeuge auf! Und schon gar nicht im Kreuzheben!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Scroll to Top