Analysen zu Omega-3 bringen zurzeit mal wieder Diskussionen zum Überkochen. Ist die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren etwa sinnlos für die Gesundheit und damit Geldverschwendung, wie es in einigen Medien heißt?
Das Problem liegt im Detail. Omega-3-Fettsäuren haben Potential im Hinblick auf z.B. die Gesundheit unserer Gefäße & das Herz-Kreislauf-System. Darauf weist beispielsweise die Meta-Analyse von Hu & Kollegen hin, die im Journal der American Heart Association erschien.
Solche Analysen und Reviews, welche einen fehlenden Nutzen zeigen sollen, sind nur so gut wie die Studien, die sie beinhalten. Und eine Studie nur so gut, wie es ihr das Design erlaubt. Wollen wir Omega-3 richtig unter die Lupe nehmen, dann müssen folgende Faktoren im Fokus stehen
- Die richtigen Einschlusskriterien
- Compliance (Therapietreue)
- Zielwerte festlegen (Omega-3 Index)
- Bioverfügbarkeit optimieren
Es gibt Grund anzunehmen, dass ein großer Teil der Studien in diesen Analysen mit folgenden Problemen zu kämpfen haben:
- Es wurde nicht nach Ausgangsleveln rekrutiert
- Omega-3 wurde nicht mit einer fettreichen Mahlzeit/genug Fett aufgenommen
- Dosierung nicht optimal bzw. ausreichend
- Fixe Dosierung statt Omega-3 Index im Blick
- Zielindexwerte (mind. 8%) für Omega-3 nicht festgelegt oder kontrolliert
- Oxidationsgrad der Produkte (TOTOX, PV, AV) wurde manchmal nicht beachtet
- Studiendauer muss je nach Thema lang genug sein
- Überlappende Omega-3 Werte zwischen Gruppen
Die Allgemeinheit zieht nun falsche Schlüsse
Die Mayo-Clinic gab Ende 2019 kritisch zu bedenken, dass viele Menschen die Omega-3 Aufnahme nicht mehr beachten, da kommuniziert wird, die Aufnahme habe keinen Effekt. Doch die Studien, die zu diesen Aussagen führten, waren z.T. zu klein, die untersuchte Population hatte bereits ausreichende Omega-3 Level oder die Dosierung war zu gering, um einen Effekt zu erzielen.
Erreicht man einen Zielindex in der Nähe von 8% oder höher, wie in der REDUCE-IT Studie, dann sind positive Effekte (z.B. weniger kardiovaskuläre Events) langfristig wahrscheinlicher. Das gilt besonders, wenn Probanden nach Ausgangsleveln rekrutiert werden und Probanden mit niedrigem O3-Index in die Studie mit aufgenommen werden.
Offensichtliche Missachtung des Dosis-Wirkung-Verhältnisses
Zugelassene Medikamente, wie beispielsweise Statine wirken erst ab einer bestimmten Dosierung effektiv. 10-80 mg dürfen es schon sein. Erwartet man von 2 mg dann einen Vorteil? Nein! Ebensowenig würden wir einen Effekt von 20 mg Ibuprofen erwarten, bei Omega-3 Studien scheint es jedoch Gang und Gäbe, unterzudosieren. Wir müssen richtig testen. In Studien der Omega-3-Analyse um Aung gab es z.B. für Teilnehmer in nur 2 von 8 Studien überhaupt mehr als 1 g Omega-3. Es wurde keine Studie mit über 2 g in die Analyse aufgenommen. Für viele Probanden könnte es aber über 1 g brauchen, damit ein effektiver Omega-3 Index erreicht würde. Wenn man ihn im Rahmen der Studie denn mal testen würde. Auch die Daten zu Omega-3 und unserer Gehirngesundheit versprechen mehr. Doch auch hier steckt der Teufel in den Details, da sich die Gabe von Omega-3 als effektiver erweist, wenn Omega-3 in einer frühen Phasen von Alzheimer ausreichend aufgenommen wurde. Und dieser Effekt bleibt auch, obwohl die Dosierung auch hier in Studien sehr unterschiedlich war und der Omega-3 Index nur selten als Referenz erfasst wurde.
Die richtige Dosierung (je nach Omega-3 Form) für den Zielindex kann variieren. So kommt eine Studie von Walker et al. zum Fazit, dass Teilnehmer 2200 mg täglich brauchen könnten, um den Index in 13 Wochen von 2% auf 8% zu erhöhen. 1500 mg seien nötig für einen Sprung von 4% auf 8% & 750 mg für einen Sprung von von 6% auf 8%. Daraus wird ersichtlich, dass der angestrebte Wert oft gar nicht erreicht werden kann. Daraus zu schliessen, dass es nicht funktionieren würde, ist grob fehlerhaft. Es ist schlicht zu wenig.
Ein weiteres Problem ergibt sich dann, wenn beispielsweise eine Meta-Analyse darauf hinweist, dass eine Studie mehr als 2g eingesetzt habe, dies aber gar nicht passiert ist. Da es nur wenige Quellen waren, kann man sich die Arbeit machen, in solch speziellen Fällen die Original Studien ebenso zu prüfen. Und es kommt Verwunderung auf, wenn in der Tabelle einer Meta-Analyse andere Werte stehen als in der Originalveröffentlichung. Solche Fehler können bei einer Meta-Analyse immer wieder auftreten, auch wenn sie natürlich möglichst vermieden und im Peer Review auffallen sollten. Problematisch sind sie dann, wenn wenige Studien plakativ für eine fehlende Wirkung höherer Dosen stehen, aber gerade dann eine viel niedrigere Dosis eingesetzt wurde. Das untergräbt das Vertrauen in die Robustheit dieser Analysen drastisch, zeigt uns aber auch das Problem von Meta-Analysen: Garbage In, Garbage Out.
Wenn die Studien, die in eine Meta-Analyse einfließen, fehlerhaft sind, kann eine Aggregation der Studien zu einer großen Analyse dieses Problem nicht immer lösen. Manchmal kann eine Meta-Analyse statistische Schwächen beseitigen und für Klarheit sorgen. Aber nur dann, wenn die Ergebnisse statistische Fragen aufwerfen, aber generell geeignet sind, die Ausgangsfrage zu klären. Insbesondere wenn es um zu niedrige Dosierungen einer Substanz geht, bauen die Fehler aber eher aufeinander auf und verstärken sich. Wenn wir 20 Studien an Aspirin mit 30mg vergleichen würden, kämen wir zu dem Schluss, dass Aspirin nicht wirken würde. Eine große, gut designte randomisierte Kontrollstudie, die 500 mg verwendet, käme aber zu einem anderen Schluss. Auf diese Weise kann eine einzelne Studie sinnvoller sein, als eine Meta-Analyse auf 20 Studien. Und dieses Problem lässt sich was Omega-3-Fettsäuren angeht, im Moment kaum bestreiten, die der absolute Löwenanteil der Studien den Omega-3-Index nicht prüft oder aber eine für das sichere Erreichen eines 8% Wertes Dosis nicht anwendet.
Was passiert derzeit in der Forschung?
Die nächste Meta-Analysen steht schon in den Startlöchern. Das Potential für ein klareres Ergebnis ist da und Omega-3-Fettsäuren versprechen in den bisher gut aufgebauten Studien eindeutig mehr. Aber es gilt auch, für eine endgültige Klärung der Fragen, die damit einhergehen: Wir müssen endlich besser testen! Sonst bleibt ein klares & reales Bild u.a. aufgrund der Heterogenität der eingeschlossenen Population, der Einschlusskriterien von Studien, Störvariablen und der oft fixen und vor allem zu niedrigeren Dosierung verschwommen. Und dabei haben wir noch nicht einmal über Fragen wie die Bioverfügbarkeit verschiedener Omega-3-Varianten oder dem Verhältnis DHA zu EPA gesprochen. Es ist zu früh, um zu sagen, Omega-3 funktioniere nicht oder sei der Heilsbringer. Dafür müssen wir noch mehr ins Detail gehen und die richtigen Fragen stellen. Etwas, das oft nicht ausreichend geschieht.
Quellen:
Marine Omega‐3 Supplementation and Cardiovascular Disease: An Updated Meta‐Analysis of 13 Randomized Controlled Trials Involving 127 477 Participants
Sea Change for Marine Omega-3s Randomized Trials Show Fish Oil Reduces Cardiovascular Events
https://www.mayoclinicproceedings.org/article/S0025-6196(19)30411-2/fulltext
Omega-3 Index and Sudden Cardiac Death
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22254028-omega-3-index-and-sudden-cardiac-death/
The emerging role of omega-3 fatty acids as a therapeutic option in neuropsychiatric disorders
Rebuttal to Aung Et Al, "Associations of Omega-3 Fatty Acid Supplement Use With Cardiovascular Disease Risks: Meta-analysis of 10 Trials Involving 77 917 Individuals"
ISSFAL Official Statement Number 6: The importance of measuring blood omega-3 long chain polyunsaturated fatty acid levels in research
https://www.plefa.com/article/S0952-3278(19)30221-2/fulltext
Translating Plasma Eicosapentaenoic Acid Concentrations Into Erythrocyte Percentages of Eicosapentaenoic Acid Plus Docosahexaenoic Acid During Treatment With Icosapent Ethyl
Efficacy of Different Doses of omega-3 Fatty Acids on Cardiovascular Outcomes: Rationale and Design of a Network Meta-Analysis
Omega-3 Fatty Acid Supplementation and Cardiovascular Disease Risk: Glass Half Full or Time to Nail the Coffin Shut?
Effect of n-3 Long-Chain Polyunsaturated Fatty Acids on Mild Cognitive Impairment: A Meta-Analysis of Randomized Clinical Trials
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